Bewegt bewegender Abschied

26. Dezember. Auch die schönste Reise geht eines Tages zu Ende. Mein Aufenthalt in der Antarktis endet wie er begonnen hat: mit einem flauen Gefühl im Magen und der bangen Frage, ob ich ankomme. Vielleicht habe ich mir das T-Shirt „I survived the Drake Passage“ zu früh gekauft. Im Gegensatz zur Chinesin vom Tisch nebenan, die sich gerade ihr Abendessen noch einmal durch den Kopf in einen Beutel gehen lässt, bin ich wenigstens halbwegs fit.

Der Kapitän hatte sich aufgrund schlechter Prognosen bereits am Vorabend, als ich noch campen war, entschieden, früher Richtung Ushuaia aufzubrechen und uns so das Schlimmste zu ersparen. Für diejenigen, die nach uns wieder in die Antarktis fahren, dürfte es den bisherigen Vorhersagen nach allerdings kein Zuckerschlecken werden.
Gletscher und Eisberge in der Fournier Bay, unmittelbar nach der Schlauchboot-Tour von Bord der Midnatsol aufgenommen
Am Nachmittag zeigt sich die Antarktis allerdings noch versöhnlich – und beschert meiner österreichischen Schicksalsgemeinschaft und mir ein würdiges Abschiedsgeschenk. Ein letztes Mal Cruisen mit dem Schlauchboot in der Fournier Bay, einer von Gletschern umgebenen Bucht, steht um 14.20 Uhr auf dem Programm.

Vorherige Kayak-Touren wurden wegen des Windes abgesagt. Den Schlauchboot-Cruisern wird ausdrücklich wasserdichte Kleidung empfohlen (als ob wir die nicht ohnehin ständig tragen würden), es könnte ungemütlich werden. Die Vorfreude, mal wieder kalt und nass zu werden, hält sich bei mir nach drei Stunden Schlaf in Grenzen. Ich bin drauf und dran, diesen letzten Ausflug bleiben zu lassen und stattdessen in der Kabine nach meiner „Amundsen-Nacht“ zumindest ein bisschen Schlaf nachzuholen.

Aber einmal muss noch, denke ich mir, und ziehe also ein letztes Mal meine Schwimmweste und die Stiefel an. Die Kamera bleibt zurück, ich möchte ihr ein Salzwasserbad ersparen.
Als ich draußen im Zodiac bin, hat sich die See allerdings beruhigt. Das Wasser ist fast spiegelglatt, nur ein laues Lüftchen geht, sodass der Blick auf die strahlend weißen Gletscher um uns herum frei ist. Atemberaubend. Das Ziel dieser letzten Tour ist, ein paar Buckelwale zu beobachten. Bootsführer und Wal-Experte Ian hält uns an, Ausschau zu halten.

Ich entdecke die schwarze Finne am Horizont als erstes. „Very good eye, Bro“, ruft Ian. Ich hatte mir als Belohnung zwar ehrlich gesagt eine Golddublone erhofft, aber nun gut. So recht blicken lassen will sich der Wal danach allerdings nicht mehr, er treibt eher träge herum und taucht immer wieder für längere Zeit ab. Wir suchen deshalb an einer anderen Stelle weiter – und werden fündig.
Eine Buckelwalkuh ist mit ihrem Kalb auf Krillfang. Wir schalten den Motor ab und genießen das nahezu immer gleich ablaufende Schauspiel: Zuerst steigen an der Wasseroberfläche Blasen auf, dann flattern eilig ein paar Eissturmvögel herbei, um vom Fang auch etwas abzubekommen. Wenig später tauchen die Wale auf, um mit ihren geöffneten Mäulern möglichst viel ihrer Leibspeise zu verschlingen bzw. zu filtrieren. Eine kurzes „Pfff“ aus dem Blasloch, dann gehen sie erneut auf Tauchstation.

Während alle anderen mit ihren Kameras im Serienbildmodus draufhalten, sitze ich einfach nur da und schaue ehrfürchtig zu, sauge den Moment ein. Ich weiß nicht, ob es am Schlafmangel liegt oder daran, dass es innerhalb der letzten 24 Stunden (Stichwort magische Momente) einfach zu viele emotionale Höhepunkte gab, aber ich kämpfe schon wieder mit den Tränen. (Als ich das hier wenige Stunden später schreibe, bricht es allerdings endgültig aus mir heraus...)
Einige Minuten genießen wir das Ganze noch, dann lassen wir sie schweren Herzens in Ruhe weiterziehen. Alle sind euphorisiert, keiner will zurück an Bord, geschweige denn diesen faszinierenden Ort verlassen. Vor meiner Reise in die Antarktis hatte ich gesagt, dass man diese wohl nur einmal in seinem Leben macht. Inzwischen bin ich mir sicher, dass ich wiederkommen werde.

Kommentare

  1. Schade, dass die Reise schon zu Ende geht ... die täglichen Nachrichten vom südlichsten Teil dieser Erde waren jeden Tag aufs Neue ein Highlight. Ich war zwar schon selbst dort aber gefühlt konnte ich durch deine Geschichten die Antarktis nochmal bereisen! Vielen Dank! 🙏 komm gut heim

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