Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön (denn da kann man viele Menschen kotzend an der Reling stehen sehen)

15. Dezember. Welche Sünden wir in unserem bisherigen Leben auch begangen hatten, nun mussten wir dafür büßen. Die See war zornig geworden und spie uns mit jedem ihrer Atemzüge ihre Verachtung entgegen. Die alte Dame schwankte unter ihren Schlägen, knarrte und ächzte, und die eisige Gischt brannte wie Feuer auf unserer Haut, während sich unser Innerstes hin und her wand. Das hier war nicht unser Zuhause und nur Gott allein wusste, was wir hier verloren hatten. 




Nicht so die Albatrosse und Riesensturmvögel. Je stärker der Wind blies, umso munterer schienen sie zu werden, schlugen wie ein Hase auf der Flucht Haken in der Luft und durchschnitten mit ihren Flügelspitzen die aufgebrachte See. Ein ums andere Mal ließen sie sich auf dem tosenden Wasser nieder, den meterhohen, vor Wut weiß schäumenden Wellen trotzend, um alsbald mit nur wenigen Schlägen ihrer enormen Schwingen wieder elegant in die Lüfte empor zu steigen. Für sie war es nicht mehr als ein Tanz, ich indes bangte um mein Leben.

So lässt es sich aufwachen...


Verzeihung, ich schweife ab. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja: Tag eins auf See. Nach mehreren Stunden Schlaf erholt in einem richtigen Bett aufzuwachen, fühlte sich nach der eher müßigen Anreise etwas ungewohnt an. Noch ungewohnter war allerdings der erste Schritt aus dem Bett, begann doch plötzlich alles komisch zu schwanken - nicht unangenehm allerdings, zumindest noch.
Die Sonne lachte jedenfalls und nach dem Frühstück zog es mich schnell an Deck, wo mir Ornithologe Miguel sogleich den ersten Albatros zeigte. Also runter in die Kabine, warm eingepackt, Kamera geschnappt und wieder raus.

So hätte es gerne den ganzen Tag bleiben können, doch noch gab es andere Dinge zu erledigen. Staub saugen, zum Beispiel. Damit bei den Anlandungen keine Tierchen und Keime eingeschleppt werden, mussten Hose, Jacke, Haube, Handschuhe und Rucksack einer gründlichen Reinigung unterzogen werden.

Worauf es an Land sonst noch zu achten gilt, war Thema eines gut einstündigen Vortrags. Nachmittags dann noch mal eine Dreiviertelstunde über das richtige Verhalten beim Kayaking, das, sofern das Wetter mitspielt, auf der To-Do-Liste nämlich ganz oben steht.
Für echte Helden und Styler

Zwischendurch immer wieder an Deck Luft schnappen, staunen und genießen. Meine Befürchtungen, dass sich dort die Passagiere gegenseitig zertrampeln, haben sich glücklicherweise nicht erfüllt. Vielmehr gibt es nur einzelne Begegnungen, die dafür umso charmanter sind.

Etwa mit Daksha alias D, einer reizenden älteren Dame aus Indien, die nun aber in Florida lebt. Oder mit Andreas aus Nürnberg, mein bereits vom Flug nach Ushuaia bekannter Sitznachbar, mit dem über Verschlusszeiten und ISO-Werte gefachsimpelt wird.

Ein weiterer wichtiger Fixpunkt an Tag eins: die Gummistiefel-Anprobe. Dabei bewahrheitet sich einmal mehr, dass ich "abartig kleine" Füße habe. Geologe Dominic, der die Stiefel am Unterdeck verteilt, hält immerhin bewundernd fest, dass ich ein großes Objektiv habe. Ich scherze, dass ich damit wohl meine mangelnde Schuhgröße zu kompensieren versuche. Was er nicht weiß: Ich scherze nicht.

Die Ruhe vor dem Sturm

Soweit, so lustig. Am frühen Abend kippt die Stimmung dann allerdings zunehmend, zumindest bei mir. Die Drake-Passage zeigt sich von ihrer unschöneren Seite, mit 40 Knoten starkem Wind und fünf Meter hohen Wellen. Geht noch schlimmer, heißt es, aber mir reicht das eigentlich schon.

Zumindest in den Innenräumen, ohne Blick auf den Horizont, wird mir doch übel. Weil die Decks irgendwann wegen zu großer Gefahr tabu sind, lege ich mich in meine Kabine und starre am Fernseher auf das Livebild der Außenkamera. Aus Angst, aus dem Bett zu fallen, halte ich mich zwischenzeitlich mit einer Hand an meiner Fensterkante fest.
In der Drake-Passage kann es
schnell ungemütlich werden

Das erste Abendessen um 20.15 Uhr lasse ich ausfallen. Hunger hätte ich zwar, aber allein der Gedanke daran, jetzt aufstehen zu müssen, mich umzuziehen und durch die Korridore und Stiegen in den Speisesaal zu arbeiten, verdirbt mir den Appetit.

Kurz darauf gibt es dann noch eine weniger erfreuliche Nachricht: Der Kapitän gibt eine Änderung der geplanten Route bekannt, die südlichen Shetland-Inseln werden demnach nicht am nächsten Morgen, sondern erst abends erreicht. Grund: Die Midnatsol wurde gebeten, sich an der Suche nach Überlebenden der unlängst abgestürzten chilenischen Militärmaschine zu beteiligen. Auch sie war unterwegs zu den Shetland-Inseln.

Kommentare

  1. Die Tabletten haben also nicht genützt. Kopf hoch man gewöhnt sich dran. Auf den Horizont starren hast du ja gemacht, soweit wie möglich. Deine Fotos sind jetzt schon klasse.

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