Alles Täuschung

20. Dezember. Was tue ich hier eigentlich? Ich mache einen Schritt, dann den nächsten. Jusqu'ici tout va bien, jusqu'ici tout va bien. Ich spüre meine Zehen kaum noch, jetzt muss es schnell gehen: Ich hole noch einmal tief Luft, dann tauche ich ein, spüre, wie mich die Eiseskälte erfasst und mich vom Bauch aufwärts bis zum Hals zu lähmen scheint. Mein Herz rast. Noch zwei, drei Züge, dann nichts wie raus ans plötzlich gar nicht mehr so kalte Ufer. Ich bin gerade doch tatsächlich in der zwei Grad kalten Antarktis geschwommen...

(Für die Zweifler: Ich habe zum Beweis ein T-Shirt gekauft. T-Shirts lügen nicht!)


Außen pfui, innen hui. Deception („Täuschung“, Anm.) Island macht ihrem Namen wirklich alle Ehre. Mit ihren schroffen Kliffen wirkt die Insel alles andere als einladend, wer die schmale und deshalb für große Schiffe nicht ganz ungefährliche Einfahrt namens Neptuns Blasebalg jedoch erfolgreich passiert, landet in einem der angeblich sichersten Naturhäfen dieser Welt namens Port Foster – sieht man einmal davon ab, dass unter der so friedlich wirkenden Wasseroberfläche ein nach wie vor aktiver Vulkan schlummert.

1969 brach er zum letzten Mal aus und zerstörte eine britische Basis, zwei Jahre zuvor hatte es bereits eine chilenische Station erwischt. Einem stählernen Gerippe gleich, zeugen ihre Überreste noch heute davon.

Die Kaldera hat einen Durchmesser von 15 Kilometern



Neptuns Blasebalg
Anlandung bei Pendulum Cove
Damit sich derlei Unglücke nicht wiederholen, messen spanische und argentinische Seismologen Anfang jedes Sommers die Aktivität und entscheiden, ob Schiffe einfahren dürfen oder nicht. Ich hoffe bloß, dass sie ihren Job gut machen – andernfalls müssen wir wohl schnell mit unseren schweren Stiefeln durch den schwarzen Sand zu unseren Schlauchbooten zurückrennen.

Die Überbleibsel der 1967 zerstörten chilenischen Station

Dass es unter der Erde nach wie vor brodelt, kann man jedenfalls spüren, sobald man mit der Hand nur etwas tiefer in den Sand greift. Und natürlich dampft es hier und dort, was auch den Pinguinen zu gefallen scheint, die hier chillaxen. Das Wasser ist allerdings nur für antarktische Verhältnisse warm, länger als ein paar Sekunden hält mensch es darin nicht aus. 

Ein Zügelpinguin genießt ein Dampfbad


Plausch unter Nachbarn
Zeugnisse einer ganz anderen Epoche lassen sich eine Bucht weiter, in der sogenannten Whalers Bay begutachten. Riesige, rostende Tanks zeugen von, je nach Betrachtungsweise, glorreichen oder unrühmlichen Tagen der Walfangzeit um 1900. Auch das Biscoe-Haus, Überbleibsel jener 1969 durch den Vulkanausbruch zerstörten britischen Forschungsstation, sowie ein Flugzeughangar sind hier ihrem Verfall preisgegeben.
Relikte der Walfangzeit in der Whalers Bay

Gerümpeltotale von der Whalers Bay

Biscoe House war einst Bestandteil einer britischen Forschungsstation
Dominikanermöwen brüten in den Ruinen


Dialog des Tages, belauscht zwischen einem Ehepaar, während letzter Anweisungen eines Guides in englischer Sprache: 

Frau: „Ich verstehe nicht, warum der das nicht auf deutsch erklären kann.“
Mann: „ ... weil er es nicht kann“
Frau: „Na dann sollen sie da jemanden hinstellen, der es kann“

Kommentare