Gretachenfrage

25. Dezember. Wenn ihr das lest, werde ich wahrscheinlich bereits an einem anderen Ort weilen. Nein, nicht so ... es sei denn, etwas geht gehörig schief, aber das will ich mal nicht hoffen. Jedenfalls, um euch bei Laune zu halten, gibt es hier – den Wundern der Technik sei Dank  – trotz meiner physischen Abwesenheit einen Lückenfüller, der aber keinesfalls als solcher verstanden werden will.

Kann man in der Post-Greta-Ära eigentlich noch guten Gewissens verreisen, zumal in die Antarktis, eines der sensibelsten Ökosysteme dieser Erde? Diese Frage beschäftigt mich bereits seit Wochen. Die Antwort ist simpel: Nö, natürlich nicht. Ganz ehrlich und einfach.

Das konnte man allerdings auch schon vorher nicht. Es ist ja nicht so, als hätten wir erst gestern bzw. durch ein 16-jähriges Mädchen von den negativen Folgen unseres Reiseverhaltens für das Klima erfahren. Fakt ist: Für die Umwelt und somit uns alle wäre es besser, wir würden zu Hause bleiben.


Es gibt daher auch nichts schönzureden. Ich könnte jetzt erzählen, dass ich mich vegetarisch ernähre (die meiner Meinung nach effizienteste Art und Weise, eine ganze Reihe ökologischer und ökonomischer Probleme auf dieser Welt zu lösen), fleißig meinen Müll trenne, U-Bahn fahre, zum Bäcker meine eigene Stofftasche mitbringe und seit meinem 20. Lebensjahr Greenpeace-Mitglied bin.

Und trotzdem: Es klänge nur nach dem Versuch, mein eigenes, durchaus egoistisches Verhalten durch die Aufzählung vermeintlich besserer Taten zu rechtfertigen. Ein Co2-Ablass quasi.


Der Logik vieler Fleischesser folgend, die stets argumentieren, dass das Tier ja schon tot ist und daher problemlos verspeist werden dürfe, könnte ich auch sagen, dass das Kreuzfahrtschiff sowieso in die Antarktis fährt – ob ich nun an Bord bin oder nicht.

Dass das Blödsinn ist, zeigt aber gerade der Fall Greta. Jede/r Einzelne von uns kann einen Unterschied machen. Und das, so meine leise Hoffnung, gelingt vielleicht ein Stück weit auch mir mit diesem Blog.


Unmittelbar vor meinem Urlaub war ich noch beim Friseur. Er stammt aus Bagdad, flüchtete vor einigen Jahren nach Österreich. Sein Handwerk übt er seit seinem neunten Lebensjahr aus – weil, wie er mir erzählt, das Studium im Irak keinen hohen Stellenwert genießt. Die Familie brauchte schließlich Geld zum Überleben.

Als er mich fragt, ob ich im Winter verreise, antworte ich ihm wahrheitsgemäß – und ernte fragende Blicke. Er weiß nicht, was die Antarktis ist, geschweige denn, wo sie liegt. Wie sollte er nun etwas schützen können, was er überhaupt nicht kennt?


Die Antarktis ist weit, weit weg und daher für die meisten Menschen Zeit ihres Lebens schlichtweg unerreichbar. Wer das Privileg genießt, sie aus nächster Nähe erleben zu dürfen, sollte daher andere daran teilhaben lassen. Ich für mich hatte mir daher im Vorfeld der Reise vorgenommen, die Schönheit und Faszination dieses außergewöhnlichen Kontinents so gut wie möglich in Bildern festzuhalten, um letztlich ein Bewusstsein für dieses entlegene Fleckchen Erde und seine Bewohner zu schaffen.

Das schrecklich schöne am Klimawandel nämlich ist, dass er keine Grenzen und Nationalstaaten kennt. Wenn die Polkappen schmelzen und Dutzende Millionenmetropolen an den Küsten – von San Francisco über Hamburg und Venedig bis nach Shanghai oder Mumbai - absaufen, dann trifft es Arme ebenso wie Reiche. Und spätestens dann werden auch sie/wir zur Erkenntnis gelangen, dass man Geld nicht essen kann.

(Es folgt der pathetische Schluss) Kurzum und frei nach Meriadoc Brandybock: Wir sind Teil dieser Welt. Oder etwa nicht? Also sollten wir sie dementsprechend schützen, und zwar jede/r nach ihren/seinen Möglichkeiten.

P. S.: Was geht innerlich in Menschen vor, die sich zu Gulasch, Karotten und Erbsen auf den Teller auch noch Cheesecake packen? 

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